Boddenlandschaft & Stettiner Haff

Über 1.500 Kilometer Küstenlinie voller Ruhe und Stille. Davon etwa 330 Kilometer Außenküste zwischen der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst im Westen und dem Stettiner Haff im Osten. Die geschützte „innere Küste“ der Bodden- und Haffgewässer ist mit fast 1.200 Kilometern dreimal so lang. Die zerfurchte Uferstrecke der in der Eiszeit entstandenen Boddengewässer ist von Wind,   Strömungen und Brandungen weniger in Mitleidenschaft gezogen als die Ausgleichsküste der  Ostsee.

Zwischen Dünen und bewaldeten Steilküsten wachsen unzählige Pflanzenarten und fliegen seltene Vögel. Menschen halten mit ihren Traditionen ein gemeinsames Kulturerbe  lebendig, ganz egal auf welcher Seite der Grenze sie leben. Auf Usedom ist das   Zusammenwachsen Europas deutlich sichtbar. Ein Sechstel der 445 Quadratkilometer großen Insel gehört zu Polen, aber Schlagbäume gibt es hier nicht mehr. Nur Infotafeln verraten, wo das eine Land aufhört und das andere beginnt.

Ganz im Westen Vorpommerns können Bootsfahrer gemütlich auf dem Barther und Saaler Bodden schippern. Sie befinden sich dort im westlichen Teil des Nationalparks Vorpommersche  Boddenlandschaft, der über 786 Quadratkilometer von Fischland-Darß-Zingst bis nach Hiddensee  umfasst. 80 Prozent davon sind Wasserfläche. Dazu gehören die seichten, lagunenartigen Boddengewässer im Schutz von Fischland-Darß-Zingst und Hiddensee sowie die offenen Küstengewässer der Ostsee.

Die Nationalparkzonen werden von betonnten Fahrwassern durchzogen, die das ganze Jahr hindurch befahren werden dürfen. Bootsfahrer kommen so sehr nahe an die Natur heran. Auf Sandbänken und an schilfgesäumten Ufern kann man die sich selbst überlassene Natur beobachten. Doch auch Landgänge lohnen sich. Die alte Hansestadt Stralsund ist mit dem  Ozeaneum um eine Attraktion reicher geworden. Der Strelasund verbindet die westliche Boddenkette mit dem Greifswalder Bodden, der seiner seits über Peenestrom und Achterwasser mit dem Stettiner Haff verbunden ist. Der Peenestrom ist 300 Quadratkilometer groß und liegt an der Binnenseite der Insel Usedom, die sich in diesem Bereich von ihrer beschaulichen Seite zeigt. Doch die mondänen Kaiserbäder und kilometerlangen Sandstrände auf der Ostseeseite sind oft nur einen schmalen Landstreifen voneinander entfernt. Auf der „Binnenseite“ Usedoms befinden sich in weniger als einer Tagesdistanz vor allem kleinere, ruhige Häfen.

Diese typische Lagunen-Landschaft setzt sich auch nach der Einfahrt in das betonnte Stettiner Haff
(Zalew Szczeciński) fort. Wo sich Deutschland und Polen treffen, überrascht Revierneulinge vor allem die Weite. Immerhin ist dieses Küstengewässer mit seinen 903 Quadratkilometern größer als der Bodensee. Wassersportler haben viel Platz und genießen meist perfekte Bedingungen. Die Inseln Usedom und Wolin bilden einen wirkungsvollen Schutz vor dem oft ruppigen Meer. Mit fast vier Metern durchschnittlicher Wassertiefe kann es allerdings im Haff durch eine kurze, steile Welle, die sich bei etwas stärkerer Brise schnell aufbaut, etwas ungemütlich werden.

Das Kleine Haff im Westen, so wird die deutsche Seite genannt, hat eine Fläche von etwa 277 Quadratkilometern. Im Süden – bei Ueckermünde und Mönkebude – erstreckt sich der Naturpark Am Stettiner Haff von der Haffküste bis zu den Brohmer Bergen im Süden mit einer Größe von 53.000 Hektar. Die 15 Meter hohe Binnendüne bei Altwarp ist eine der vielen Überraschungen dieses Naturparks.

Wer das Stettiner Haff schließlich Richtung Ostsee verlassen will, hat drei Möglichkeiten: den Peenestrom im Westen, die Świna (Swine) in der Mitte und die Dziwna (Dievenow) im Osten.
Die letzten beiden gehören zum polnischen Teil des Stettiner Haffs, dem Großen Haff (Wielki Zalew), das eine Fläche von 410 Quadratkilometern umfasst.

Wer auf dem Stettiner Haff unterwegs ist, merkt höchstens an der anderen Sprache, dass er eine Grenze überquert hat. Die Zeiten von Ein- und Ausklarieren sind vorbei. Nur selten gibt es noch stichprobenartige Kontrollen seitens der Grenzpolizei.

Der Grenzfluss Oder mündet durch das Stettiner Haff um die Inseln Usedom und Wolin herum in die Ostsee. Etwa 15 Seemeilen vor der Mündung fließt die Oder durch Szczecin (Stettin). Die 410.000-Einwohner-Stadt gilt als idealer Zwischenstopp für Bootsfahrer aus Berlin. Sie gelangen auf dem Wasserweg – über den Oder-Havel- oder Finowkanal – an die Ostsee oder erkunden das Revier um Szczecin, z.B. den Jezioro Dąbie (Dammscher See). Der viertgrößte See in Polen ist eine Aufweitung der Oder kurz vor der Mündung und beginnt im inneren Stadtgebiet von Szczecin. Die vielen Flussarme und -inseln der Oderniederung gehen hier in den offenen See über. Kurz vor der Stadt Police (Pölitz) findet der Fluss in sein Bett zurück und mündet in die Weite des Stettiner Haffs (Zalew Szczeciński).

Im Peenestrom und vor allem im Stettiner Haff befinden sich viele Reusen- und Stellnetze rechts und links des Tonnenstrichs. Bootsfahrer sollten ein besonderes Augenmerk darauf richten.

Netze so lang wie das Haff

Die Netze sind aber nicht nur ein Verkehrshindernis, sondern vor allem ein Zeichen für den großen Fischbestand. Zander, Brasse, Aal und Hering fühlen sich hier besonders wohl. Freest (Spandowerhagener Wiek), Stepnica (an der Ostseite des Stettiner Haffs), Nowe Warpno (Südküste Stettiner Haff) und Dziwnow (kurz vor der Einfahrt in die Ostsee) sind bekannte Fischerdörfer.

Von Szczecin bis nach Darłowo (Rügenwalde) an der östlichen Grenze von Zachodniopomorskie (Westpommern) sind übrigens 36 Yachthäfen auf der polnischen Seite Teil der Westpommerschen Segelroute. Sie liegen maximal 20 bis 30 Seemeilen auseinander und sind damit gute Tagesdistanzen voneinander entfernt. Lebendige Städte, kleine gemütliche Orte, sattes Grün, Wiesen und Wälder, Vögel, Pflanzen, Seen, Flüsse und Flussmündungen, Inseln im Frühnebel und das sensationelle Farbenspiel bei Sonnenuntergang – die ganze Bodden- und Hafflandschaft ist so aufregend abwechslungsreich wie das Wetter.