Vom Frischen (Kaliningrader) Haff ins Kurische Haff
Die Oblast Kaliningrad ist das westlichste Gebiet der Russischen Föderation. Als russische Exklave an der Ostsee ist sie nicht mit dem Mutterland verbunden, sondern grenzt an die EU-Staaten Litauen und Polen. Nördlich der Hauptstadt Kaliningrad trennt die Kurische Nehrung das gleichnamige Haff von der Ostsee.
Will man Kaliningrad über den Seeweg erreichen, so geht das nicht ohne Grenzformalitäten. Von der Ostsee kommend, ist für die Einreise (die einzige Grenzstation für deutsche Bootsfahrer ist in Baltijsk) ein Visum erforderlich. Bislang musste dies vor der Reise über Agenturen besorgt werden. In Zukunft wird der Zugang in die Region wesentlich einfacher. „Ab dem 1. Juli 2019 können Touristen ihr Visum auf dem elektronischen Weg beantragen. Dieses gilt für einen Aufenthalt im Kalinin grader Gebiet für acht Tage“, erklärt Aleksei Ignatev, Berater des Gouverneurs der Region Kaliningrad für Regionalentwicklung und Internationale Zusammenarbeit.
Dass ein großes Interesse an internationalen Bootsfahrern besteht, dafür spricht die Entscheidung Russlands, „die Binnenwasserstraßen für den Bootsverkehr zu öffnen und Boote unter internationaler Flagge zuzulassen“, so Ignatev weiter. Nach wie vor ist der Grenzübertritt zwischen Polen und Russland auf dem Frischen Haff und zwischen Litauen und Russland auf dem Kurischen Haff auf Grundlage bilateraler Abkommen aber nur für Boote unter russischer, polnischer und litauischer Flagge möglich. Im Falle einer Öffnung für Boote anderer Flaggen entstünde für die Motorbootfahrer ein attraktives Revier, das mehrwöchige Entdeckungstouren erlaubte. Darüber hinaus gäbe es großes Potenzial für Charteranbieter. Über den Fluss Pregel sowie über den Fluss Deime und den Polesski-Kanal besteht eine direkte Verbindung zwischen dem Kurischen Haff in Litauen und dem Frischen Haff sowie dem Weichsel-Werder-Ring in Polen. Der Pregel ist über den ganzen Abschnitt schiffbar.
Viel Potenzial im Revier
In Kaliningrad stoßen Bootsfahrer aber auf das erste Hindernis. Die Zug- und Auto-Hebebrücke in Kaliningrad können nur Boote von geringer Höhe (maximal 3,5 Meter) passieren. Ein Prozedere für regelmäßige Brückenöffnungen ist nicht in Sicht. In Kaliningrad und nach dem Stadtgebiet auf dem Alten und Neuen Pregel folgen weitere Brücken, die mit ihren niedrigsten Höhen von 4,5 Metern für Motorboote kein Hindernis darstellen dürften. Die Wassertiefe liegt im weiteren Pregelgebiet bei Gwardeisk, wo die Deime abzweigt, bei 2 Metern. Doch die Windrichtung bestimmt oft den Wasserstand. Bei andauernden Westwinden werden Wassermengen aus der Ostsee und dem Frischen Haff in den Pregel hineingetrieben. Dadurch steigt der Pregelstand und kann um bis zu 3 Meter variieren. Das bedeutet für Bootsfahrer, dass sie genau auf den aktuellen, maximalen Tiefgang und die maximalen Durchfahrtshöhen achten müssen.
„Die Öffnung der Kaliningrader Binnengewässer für Boote unter ausländischer Flagge ist ein riesiger Fortschritt und fast schon eine Sensation. Charterboote können allerdings weiterhin nur mit einem lokalen Skipper gemietet werden“. Das ist sicherlich auch einer der Gründe, warum nicht schon mehr Touristen per Boot im Pregeldelta unterwegs sind. „Es wäre ein Traum, wenn Bootsfahrer mit einem Charterboot über Pregel und Deime vom Frischen zum Kurischen Haff fahren könnten“, wagt Ignatev einen Ausblick. Doch dazu bedarf es auch einer Verbesserung der Infrastruktur, zum Beispiel eine Investition in Brücken, um größere Durchfahrtshöhen oder Öffnungsmöglichkeiten zu erzielen.
Ein Ausflug von Kaliningrad aus durch das Pregeldelta flussaufwärts bis Langendorf (Sokolniki) ist allerdings schon heute möglich und wie gemacht für Entdecker. Etwa 17 Seemeilen flussaufwärts liegt das Gut Langendorf. Es gehörte früher dem altpreußischen Adelsgeschlecht Perbandt.
Wenn Geschichte Zukunft wird
Das alte Gut steht heute in neuer Blüte da. Der neue Besitzer, Eduard Voronezkij, restaurierte alles Stück für Stück. Behutsam entstand eine geschmackvoll eingerichtete und großzügig angelegte Hotelanlage. Für Bootsfahrer legte er außerdem einen kleinen Hafen für maximal 20 Boote an, der vor allem für Motorboote attraktiv ist. Langsam wacht die Region aus dem Dornröschenschlaf auf. Neue Häfen entstehen. In Kaliningrad öffnete beispielsweise der Yacht Club Wolna und einige andere Projekte befinden sich bereits im Planungsstadium. Werden auch diese Vorhaben realisiert, dann stünde den Bootsfahrern bald ein völlig neues, unentdecktes Revier mit vielfältigen Törnmöglichkeiten offen.