27 Segelyachten und ein Motorboot unterwegs auf einer freundlichen Ostsee

Die vierte SOUTH COAST BALTIC Boating Rally führte vom 4. bis zum 14. August von Bornholm über die polnische Ostseeküste nach Kröslin in Vorpommern

Mal Flaute, mal Winde aus unterschiedlichen und unvorhersehbaren Richtungen und dann wieder Bedingungen, die Segelvergnügen pur erlauben. So ist die Ostsee und so wurde sie auch von den beinahe hundert Teilnehmern der vierten SOUTH COAST BALTIC Boating Rally erlebt. Als die Boote am Morgen des 5. August den Hafen im malerischen Svaneke auf Bornholm verlassen, scheint die Sonne. Nur ein Hauch von Wind schiebt die internationale Flottille anschließend in das 60 Seemeilen entfernte Darłowo an der westpommerschen Küste.

Dieses Mal sind Boote aus Dänemark, Deutschland, Polen, Litauen und Österreich dabei, zwischen sieben und fünfzehn Meter lang, 28 Stück insgesamt – inklusive eines Exoten. Mit der neun Meter langen Motoryacht Pedro Donky 30 „Heiba“ von Heinz Meibert hat nämlich auch ein Motorboot abgelegt. „Ich hoffe, ihr akzeptiert mich in eurer Mitte unter all den Seglern“, bringt der Einhand-Motorbootsfahrer gleich am ersten Abend seine Befürchtungen auf den Punkt. Von Vorbehalten kann allerdings keine Rede sein. Im Gegenteil. Die anderen Flottillenteilnehmer zollen Meibert, der schon seit vier Monaten unterwegs ist, höchsten Respekt. Und im Verlauf der Rally soll sich die neun Meter lange Pedro sogar noch als Segen für die Flottille erweisen.

Versteckte Häfen, Würstchen und ein Leuchtturm mit Tradition

Als sich die in Bornholm abgelegten 18 Boote von der offenen See her der polnischen Küste nähern, kann man lange nicht ahnen, dass es hier Häfen mit hervorragender Infrastruktur gibt. Oft liegen sie nämlich geschützt in Flussmündungen. Das gilt auch für den zweiten Hafen der Tour, Darłowo an der Wieprza. Dahinter wartet auch bereits ein erstes Highlight: die einzigartige Schiebebrücke, die Fußgängern vorbehalten ist, und stündlich öffnet.
Am Abend informieren der erfahrene Skipper des Leadboots, Adam Walczukiewicz, sowie die Rally-Leitung, Jens Masuch, Koordinator der SOUTH COAST BALTIC Marketing Initiative, und Nicole Spittel, stellvertretene Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Vorpommern, die Bootsfahrer dann über die Windvorhersage für den kommenden Tag, geben navigatorische Hinweise und Tipps zu Liegeplätzen und sogar zu den Sehenswürdigkeiten. So sind alle immer auf dem neuesten Stand und jeder Teilnehmer hat ein sicheres Gefühl mit auf dem Weg, auch wenn ein Boot mal vom Kurs abweichen muss.

Das kleinste Boot der Rally, das sich von Svaneke aus über die offene See wagt, ist der 29er Kings Cruiser „Saga“ aus Bornholm. Die beiden Segler Lars Nygaard und Sara Bøgsted-Gildberg sind zum ersten Mal dabei. „Während auf der 50er Bavaria, dem Leadboot „The Wind“, ein ruhiges Segeln hoch über der Wasserlinie möglich ist, sind wir nur 60 Zentimeter über der Wasseroberfläche unmittelbar den Naturgewalten der See ausgesetzt. Doch es macht trotz des Nasswerdens meist riesigen Spaß. Denn wir wissen auch, dass wir im Hafen auf tolle Mitsegler treffen und ein entspanntes Landprogramm erleben können“, so die beiden Segler, die ihre erste größere Tour mit dem Boot mitmachen.

Die nächste Etappe führt dann tags darauf weiter Kurs West entlang der Küste zum größten Seebad Polens, nach Kołobrzeg. Auch dort liegt der Hafen geschützt in der Mündung eines Flusses, der Parsęta. Die Einfahrt der Flottillen-Boote erfolgt hier in kurzen Abständen und alle finden dicht beieinander ihre Liegeplätze. Einige nutzen die Gelegenheit auch, um den langen Ostseestrand der Stadt zu besuchen. Er liegt nur einen kurzen Fußmarsch von der Marina Solna entfernt. Als Zwischenstopp auf dem Weg zum Strand bietet sich der Leuchtturm Latarnia Morska mit seiner grandiosen Aussicht auf Stadt und Meer an. Schon im 17. Jahrhundert warnte hier ein Leuchtfeuer die Schiffe, ab 1866 wurde es durchgängig betrieben, um den Bootsfahrern Nacht für Nacht den sicheren Weg in den Hafen zu weisen.

Stürmischer Empfang in Świnoujście

Schönstes Wetter erwartet die Segler am nächsten Tag auf dem 50 sm langen Schlag nach Świnoujście – ein Traum vom Ostseesegeln mit besten Winden aus Nordost. Anfangs zumindest; dann lässt der Wind wieder nach und die Yachten bewegen sich mit etwa drei Knoten entlang der Küste. Kaum haben die Boote im Yachthafen Nordbecken am westlichen Ufer der Swine angelegt, zieht sich der Himmel zu und ein Sturzregen fegt über den Yachthafen. Die Ostsee zeigt eindrucksvoll, was in ihr steckt und begeistert gerade damit so manchen Segler; auch zwei Österreicher, Jade und Othmar Smarzija, die mit ihrer nagelneuen Jeanneau Sun Odyssey dabei sind. Sie hatten sich zuvor entschieden, Adria und ihr Motorboot hinter sich zu lassen, um nun per Segelboot die Ostsee zu erkunden und das trotz des unvorhersehbaren Wetters. Auch nach dem Sturzregen sind sich beide einig: „Im Sommer ist es in Kroatien irrsinnig heiß und auch überfüllt. Wir genießen jetzt das wechselhafte Wetter und das neue Revier. Wir sind gespannt auf die kleinen Häfen und Orte entlang der gesamten Ostseeküste. Vor allem auf Usedoms Kaiserbäder, von denen wir schon so viel gehört haben, freuen wir uns sehr.“

Mit dem Rad über die offene Grenze

Nach Regen kommt Sonnenschein und so reißt auch in diesem Fall der Himmel bald wieder auf. Am nächsten Tag hält sich das schöne Wetter und sorgt für optimale Bedingungen bei einer Radtour entlang der Kaiserbäder auf Usedom. Zuvor gibt es allerdings einen Zwischenstopp an der Grenze zwischen Polen und Deutschland, an die nur noch zwei Grenzsteine und eine verbliebene Waldschneise erinnert.

Anschließend geht es zur Begrüßung der SOUTH COAST BALTIC Boating Rally Teilnehmer. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Heringsdorf, Laura Isabelle Marisken, wartet schon an der historischen Seebrücke in Ahlbeck mit einem Sekt, klassischer Musik, strahlendem Sonnenschein und mit einer herzlichen Begrüßungsrede an die Bootsfahrer.
„Die besondere Atmosphäre der Ahlbecker Seebrücken-Kulisse bei schönstem Sonnenschein gemeinsam mit all den hier zusammen gekommenen Teilnehmern zu erleben, zählte für mich zu einem der Highlights der gesamten Tour“, so Thomas Schwarz, Skipper des Yacht Club Bayer Leverkusener Clubschiffs „LeYa“, dessen Crew aus zwei Jugendlichen, Viktor und Vincent samt Mutter Barbara und ihrer Freundin Ina besteht.
Zur Erkundung der Kaiserbäder-Architektur geht es anschließend per Rad weiter ins Seeheilbad Heringsdorf und Bansin oder wahlweise auch nach ins polnische Świnoujście.

Per Flottille durch die Kaiserfahrt

Am nächsten Tag lacht wieder der Himmel. Kleinere Boote, die die offene See scheuten oder andere, die die lange Anreise an die polnische Küste nicht geschafft hätten, stoßen hier in Świnoujście dazu. Die Flottille ist nun auf 28 Boote angewachsen. Auf südlichem Kurs gleiten sie durch die Kaiserfahrt, den Kanał Piastowski (Piastenkanal). Er wurde 1880 eingeweiht und verbindet die Oder mit dem Stettiner Haff und der Ostsee. Die schwer befahrbare Alte Swine hat, seit es den Kanal gibt, als Schifffahrtsstraße ausgedient. Dadurch gewann der Hafen in Szczecin an Bedeutung.

Der Moment, als sich der Kanal in die Weite des Stettiner Haffs öffnet, ist atemberaubend. Der Wind steht günstig und verspricht ein grandioses Segelerlebnis über das Stettiner Haff. „Ich hätte nie gedacht, dass das Stettiner Haff so eine Weite hat, so groß ist und sich tatsächlich als Segelrevier eignet“, freut sich Segler Giedrus Gipas aus Litauen. Er wollte schon immer diese Gegend und besonders Vorpommern kennenlernen. „Es erinnert mich an unser Kurisches Haff, auch wenn das nicht so weitläufig ist.“ Der Heimathafen seiner neun Meter langen „Bossa Nova“, eine Jeanneau Sun Odyssey, ist Uostadvaris im Memeldelta und damit hatte er wohl die längste Anreise von allen.

Szczecin lässt es krachen

In leuchtenden Farben explodiert das Feuerwerk über den Köpfen einer riesigen Menschenmenge und die Teilnehmer der Rally sitzen auf ihren Booten in der Szczeciner NorthEast Marina in der ersten Reihe. Genau rechtzeitig zum Feuerwerksfestival Pyromagic legen die Boote der Flottille in Szczecin an. Eigentlich gibt es hier nur 70 Liegeplätze, aber an diesen beiden Tagen wurden hier 165 Yachten untergebracht.

Für die Bootsfahrer und ihre Begleiter steht der Sieger des Festivals auch schnell fest: Szczecin! Sie sind beeindruckt von einem großartigen Fest mit friedlichen Zuschauern und der angenehmen Atmosphäre. Das Flair in dieser Stadt ist jung und modern und die erst 2014 eröffnete Philharmonie ist nur eines der vielen Symbole dafür. Nach zwei Tagen Aufenthalt geht es über das Stettiner Haff weiter Richtung Westen nach Vorpommern.

Durch flache Gewässer in die Natur

Jeder weiß es und Skipper Adam Walczukiewicz vom Leadboat „The Wind“ hat es auf dem Skippermeeting am Vorabend mehrmals gepredigt: „Auf dem Haff immer im Fahrwasser bleiben, die Stellnetze beachten und großzügig umfahren.“ Denn das Stettiner Haff ist flach und mit etlichen Stellnetzen durchzogen. Spätestens nach der Zecheriner Brücke rechts und links des Tonnenstrichs schwindet das Wasser unter dem Kiel rapide. Alle Skipper achten aufmerksam auf ihr eigenes, aber auch auf die anderen Boote. Das macht die Fahrt in der Flottille aus. Man hilft sich gegenseitig.

Nach Passieren des Achterwassers ist der Naturhafen Krummin dann erreicht. Die Ruhe und Stille mitten in der Natur bildet den krassen und wohltuenden Kontrast zum feiernden Szczecin. Ein abwechslungsreiches Landprogramm erwartet die Segler am nächsten Tag. Fahrradtouren nach Peenemünde mit einer Besichtigung des Historisch-Technischen Museums, eine Tour in das Fischerdorf Freest mit Besichtigung der Bootswerft Freest, um Kerstin Dubs bei den traditionell ausgeführten Bootsarbeiten zu zuschauen oder sich in dem Freester Heimatmuseum auf Zeitreise zu begeben, zählen zu den von den lokalen Partnern geführten Angeboten.

Beim Ablegen zwei Tage später hat die erwähnte „Heiba“ von Heinz Meibert ihren großen Auftritt. Er hilft dem Leadboot „The Wind“, es in die richtige Richtung zu ziehen. Bei starkem Wind und wenig Platz zum Drehen wäre das bei der großen Angriffsfläche einer 50-Fuß-Yacht ansonsten ziemlich mühsam geworden.

Über den stürmischen Bodden

Auf der vorletzten Etappe zeigt sich, dass es die Boddengewässer richtig in sich haben können. Auf dem Greifswalder Bodden zieht sich der Himmel dunkelgrau zu. Starker Wind bis zu 30 Knoten kommt auf. Doch das verzieht sich so schnell wie es gekommen ist. Und schon liegt die Bucht der Dänischen Wiek und das Fahrwasser, das in den Fluss Ryck führt, voraus. Nach Passieren der Holzklappbrücke in Wieck sind es noch etwa zwei Seemeilen, dann ist das Ziel, die Marina Yachtzentrum Greifswald, unweit der Museumswerft und des Museumshafens der Universitäts- und Hansestadt Greifswald erreicht. Mit rund 50 historischen Schiffen, ist es der größte unter den deutschen Museumshäfen und ideal als Kulisse für Studenten, die sich hier abends auf ein Bier oder einen Imbiss treffen. Der Abend klingt dann mit einem Kinoabend im Scheunenkino aus und ist damit ein angenehmer Kontrast zu dem fulminanten Spektakel in Szczecin.

Vom Hafen aus sind es auch nur einige wenige Schritte bis zum historischen Zentrum der quirligen Hansestadt mit Marktplatz, seinen vielen Restaurants und der interessanten Backsteingotik. Am Morgen des vorletzten Tages haben die Teilnehmer dann die Gelegenheit all das ausführlich während einer geführten Tour kennen zu lernen.

Alle Facetten der südlichen Ostseeküste in einer Tour

Das letzte Ziel der internationalen Flottille ist schließlich die Marina Kröslin im Baltic Sea Resort. Hier endet die Tour mit einer Abschlussparty.
Beeindruckende Naturerlebnisse, Gastfreundlichkeit in allen Marinas und vor allem ganz viel Spaß am gemeinsamen Segelerlebnis haben die Bootsfahrer wieder einmal begeistert. Erneut konnten sie erfahren, wie facettenreich die Südliche Ostseeküste ist. Auf der einen Seite begeisterten quirlige polnische Badeorte wie Darłowo, Kołobrzeg oder Świnoujście mit ihren feinsandigen Stränden, auf der anderen Seite beindruckte das aufstrebende Szczecin als moderne Feierhauptstadt. Das eher ruhige Vorpommern mit den Usedomer Kaiserbädern Heringsdorf, Bansin und Ahlbeck, Krummin am Achterwasser zeigt einmal mehr wie kontrastreich das Revier Südliche Ostseeküste ist und das es auch landseitig eine Menge zu bieten hat.

Auf dem Wasser prägt eine einzigartige Vielfalt die Region. Viele der Teilnehmer hatten sich fürs Mitmachen an der Rally entschieden, um genau das erstmals zu erleben. „Die westliche Ostsee kennen wir schon gut, aber der Abschnitt zwischen Stralsund und dem äußersten Westpommern war für uns größtenteils noch ein weißer Fleck auf der Landkarte“, so Rally-Teilnehmer Werner Schliecker. Mit Frau Ursel und Hund Felix nahm er bereits zum zweiten Mal an der Boating Rally teil.

Organisiert und finanziert wurde diese vierte Rally im Rahmen der Marketinginitiative SOUTH COAST BALTIC und mit Unterstützung der EU im Rahmen des Interreg South Baltic Programms 2014-2020. Und auch die fünfte Rally ist bereits terminiert: Sie :findet vom 28. Juni bis zum 07. Juli 2020 statt und führtauf der Ostroute von Gdańsk / Polen über Kaliningrad / Russland nach Klaipėda & Nida am Kurischen Haff / Litauen. Anmeldeformulare werden ab Dezember 2019 auf www.southcoastbaltic.eu erhältlich sein.